Ein Jahr in Mali – und schon so viel erlebt!

Manuel Müller Allgemein March 23, 2022

Hallo,

Ich versuche einmal bei all den Sorgen, die dir der Ukraine-Konflikt macht, zu dir durchzudringen.

Ich kann selber nicht sagen, dass mich das Thema kalt gelassen hat. Viel mehr bin ich mit meinen Gedanken bei euch, sehe, wie jeder reflektiert, was seine Rolle in der neuen Situation ist. Und sehe auch in der Retroperspektive, was Corona mit dem Miteinander in den Gemeinden gemacht hat.

Ich persönlich lebe seit dem 9. Januar unter dem Druck von Sanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsunion gegen Mali die die Preise in die Höhe schnellen lassen, ohne dass eine rasche Einigung in Sicht ist. Aber dabei lasse ich mich weder von Furcht noch Panik beherrschen.

Ich bin nicht scharf darauf, von allen Attacken, die in Mali stattfinden, zu lesen, sondern belasse es dabei, über den Süden Malis und den Standort der NGO-Mitarbeiter in Zentral-Mali zu lesen.

Lasst uns aus dem Beginnen von Corona, wo viele versucht haben, ihr Wissen als Virologie-Experten zu nähren, unseren Medienkonsum auf einem moderaten Niveau zu halten. Aus einer Gemeinde bekam ich einen Impuls geteilt, der herausfordert, mehr Zeit vor Gott im Gebet zu kommen als Schreckensnachrichten zu konsumieren.

So, damit möchte ich ein wenig zu dem kommen, was ich in letzter Zeit erlebt habe.

Das neue Jahr hat mit viel Festessen mit Freunden angefangen und einem befreiten Aufatmen von meiner Seite. Wieder aller Umstände hatte sich die Lage in der Region um Bamako verbessert und so konnte ich wieder anfangen, im Dorfkontext Bambara zu lernen.

Zur Jahreswende hatte ich als Praktikanten Simon da, der sich einmal ganz unverbindlich das Thema Mission anschauen wollte. Schnell lernte er, dass es viel um Beziehung geht… und die Dinge selten so laufen wie geplant.

Weihnachts-Besuch mit Simon bei Esai

Im Anschluss habe ich mich in einen Vorort Bamakos eingelebt. Es war schon ein bisschen Luxus: Ich hatte mein eigenes Zimmer und die Gastfamilie hat mir reichlich Essen zum Alleinverzehr gebracht. Den Zahn habe ich ihnen aber inzwischen gezogen: Auch wenn die Kunst eigentlich darin besteht, möglichst viel kochend heisse Kohlenhydrate in möglichst kurzer Zeit mit der Hand in sich hineinzuschaufeln und dann der Erste zu sein, der sich die Hände wäscht, ist es ein wichtiger Begegnungspunkt. Und das von der mitgebrachten Birne an einer Autobatterie erleuchtete Zimmer war gleichzeitig Reis-und Bibeln-Lager, mein Motorradstellplatz und Schlafzimmer.

Aber ich genieße sehr die Gemeinschaft, das gemeinsame morgentliche Lobpreismachen mit einem christlichen Angestellten. Die Morgene mit einem älteren Sekundarschullehrer, der auch einiges über die Dorfkultur zu erzählen weiß. Das mittagliche Teetrinken auf dessen Orangen… Plantage wäre zu hoch gegriffen. Nachmittags lerne ich mit einem fitten jungen Mann, der keinen Hehl daraus macht, mich an „Rassenunterschiede“ zu erinnern – kein Wunder an diesem Ort nahe eines damals in Zwangsarbeit errichteten Kanals. Das hindert uns aber nicht daran, abends durchs Dorf zu ziehen, Freunde zu besuchen, mit der dortigen Gemeindejugend Trommeln neu zu bespannen und vieles mehr.

Bɛrtɛ und Israel – mein derzeitiges Sprachlern-Duo

Da mein vorhergehender Sprachlernpate Amadou aus meinem ursprünglichen Sprachlerndorf weiter außerhalb Bamakos nun eine Anstellung in einer Schule gefunden hat, reduziert sich meine Präsenz dort auf seine Ferienwochen. Aufgrund des Chaos im Bildungssystem mit vielen Streiks lagen die Winterferien diesmal im Februar. Ich habe es sehr genossen, Ziegeln herzustellen, auf die Jagd zu gehen, zu lernen wie man Bastmatten flechtet, Kürbisschalen flickt, wenn die Kleinkinder der Gastfamilie in der „Siesta“ auf einem rumtollen…

Amadou kann sich viel besser in Bambara ausdrücken als viele Leute in und um die Hauptstadt und mit ihm konnte ich auch einen Prototypen von einem haptisch-visuellen Grammatik-Lernansatz testen, den ich aus meinem Französischlernen übertragen habe. Außerdem mache ich seit ich in Mali bin Tonaufnahmen und Fotos für das Lernen mit einer Vokabel-Lern-App.

Mein Vokabellern-Fortschritt für Statistik-Liebhaber: Ab und zu gibt mal eine Speicherkarte auf und hinterlässt Datenlücken aber ich selber lasse nicht locker

Anfang März stand ein erneuter Besuch in N’Gouraba an, meiner baldigen Einsatzregion, voraussichtlich ab Juli. Im Anschluss habe ich mit dem Chef und dem Administrator unserer Partner-Hilfsorganisation ein Bewerbungsverfahren durchgeführt, aus dem eine malische Agrartechnikerin hervorgegangen ist. Sie wird in den kommenden Monaten die Arbeit in der Zentrale und die Projekte dort kennenlernen und dann Vollzeit vor Ort in N’Gouraba Teil eines neuen Agrar-Zweiges werden.

Zwischendrin war ich mal eine Woche platt, habe viel geschlafen und nun sind die Batterien wieder aufgeladen für die nächsten Etappen.

Wenn ich mal Nicht schlafen kann, beschäftige ich mich in der… Milde der Nacht mit Fragen rund um „Vulnerable Mission“: Was kommuniziert die Bambara-Sprache, wo im Französischen die kulturelle Basis fehlt? Wie kann man von Ängsten vor Geistern befreien, ohne historisches zu kritisieren? Ist alle gleich Behandeln möglich, richtig beziehungsweise wie kann Wertschätzung in Andersartigkeit aussehen? Wie können Businessanreize in Mission aussehen, ohne unsere Theologie zu säkularisieren?

passender Buchtipp für Afrika-Romanleser

Es gäbe noch viel zu erzählen von Besuchen in eine einem Flüchtlingslager, bei Basketball-Sportmission, ein Kongresszentrum voller Beter für die Politik, leckerer deutscher Küche bei einem deutschen Missionars-Ehepaar und vielem mehr.

Spannende Lebenszeugnisse von Maliern habe ich bei einer digitalen Missionsvorstellung vor ein paar Tagen geteilt. Das Thema Berufung-wo ist mein Platz in dieser Spannenden Welt- wird aktuell hier auf einer Pastorenkonferenz reflektiert, wenn du persönlich deinen Horizont weiten möchtest, kannst du auch am 14. Juni auf einem Seminar der Allianzmission zu dem Thema dich reinklicken.

Hier vor Ort ist die Frühjahreshitze wieder da, das große Schwitzten >40°C beginnt. Und Karsten, mein Landesleiter, ist aktuell vor Ort, um einiges zu regeln, weshalb ich dann auch mal in die Sphären von WLAN und Computer zurückgekehrt bin und diesen Rundbrief schreiben kann.

 

Herzliche Grüße,

euer