Dorfalltag

Manuel Müller Allgemein September 13, 2021

Hallo,

 

herzliche Grüße aus Mali!

Mein letztes Update hat folgendermaßen begonnen:

“Staub wirbelt das ein oder andere vorbeifahrende Motorrad bei der sengenen Hitze auf,

wenn man an der Straße sitzt und Tee trinkt.”  

 

Der heutige beginnt so:

Staub wirbelt Manuels Motorrad bei der sengend-schwülen Hitze auf,

dem neugierige Blicke einiger Malier folgen, die am Straßenrand Tee trinken.

 

Einiges hat sich getan dank zahlreicher Malier, die mir geholfen haben, meine Umgebung nicht mehr als unbekannt-feindlich, sondern mit einem gewissen Gefühl von Normalität wahrzunehmen.

Und endlich sind ein paar mehrtägige Dorfaufenthalte Wirklichkeit geworden, auf die ich mich schon seit einem Jahr gefreut habe

 Dort sieht mein Alltag folgendermaßen aus:

6:30 klingelt der Wecker – auf dem Dorf schlafe ich einfach besser und länger. Wenn ich mich in der Lehmhütte ohne Strom zurechtgefunden habe, geht es raus auf den Hof und ich warte auf den Duscheimer. Den Sonnenaufgang kann ich dann vom freistehenden etwa brusthohen Badezimmer aus genießen.

Bei „Lipton“ Tee und Baguette werden dann sämtliche Segenswünsche, die ich bereits beherrsche, an die Gasteltern ausprobiert. Meine Gastfamilie ist die Familie des großen Bruders von Esai, der in der Hauptstadt wohnt. Die Stille Zeit folgt dann im  Gemüsegarten fern von Besuchern, Kindern und Hühnergegacker. Den Morgen verbringe ich dann an einem luftigen schattigen Plätzchen unter den Bäumen im Hof und höre mir Lernwörter mit meiner Vokabel-Lern-App an, die ich in den letzten Monaten fleißig mit Esai gespeist habe.  Vormittags gibt’s dann To  (Hirsebrei) bei der Gastfamilie und mittags dasselbe bei Esais Freund Amadou auf dessen Feld.

Es wird ein bisschen gearbeitet und nach dem Duschen setzten wir uns nachmittags hin, um Bambara zu lernen. Oder Amadou erledigt was und ich setzt mich zu den alten Herren nebenan. Dann beginnt meine Sprachlernsession mit Amadou- er ist nicht nur pünktlich um 15:30 da, sondern er gehört auch zur seltenen Spezies der Nicht-Grüner -Tee-Trinker in Mali- ich brauche den dann schon nach der Mittagshitze als Kaffeeersatz.  Nach ein paar Brocken Bambara-Smalltalk /Fragen stellen lese

ich dann zum Aussprache-Training Amadou ein Heft aus der 1. Klasse vor – zum Beispiel über Bienenzucht. Im Anschluss versuche ich dann Bilder aus einem Heft mit biblischen Gleichnissen zu beschreiben und die verbesserte Version nehmen wir dann Satz für Satz per Handy auf. Amadou ist zwar offiziell Muslim aber meine Satzfindungsbemühungen evangelistisch zu nennen wäre definitiv zu hoch gegriffen.

Manchmal setze ich mich nach einer kurzen Pause dann noch zu seinem jungen Bruder, der bei Einbruch der Dunkelheit Balafon spielt (Riesen-Xylophon mit hohlen Kürbissen als Klangverstärker). Gegen 19:30 Ist dann Abendessen im Dunkeln (An ka to dun – Lasst uns Hirsebrei essen!). Nach der Mondschein-Dusche sitze ich dann noch mit Soungalo (Bild unten), meinem Gastvater und seinen Freunden in malischen Bambus-Liegestühlen und versuche über Landwirtschaft oder Deutschland zu reden. Dann geht’s zeitig ins Bett, wo hoffentlich kein Huhn ein Ei gelegt hat. Fernab der Stadtlichter wird man schnell müde.

Inzwischen habe ich in meinem Garten auch ein paar Baumsamen gepflanzt in kleine Beutel die man als Gastgeschenke mitnehmen kann. Außerdem werde ich in Zukunft nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt schonen mit einem Moped, das ich mir zur Feier des Abschlusses der ersten Sprachlernphase und aus praktischem Nutzen angeschafft habe. Das ist besonders im Stadtverkehr sehr dienlich, so kommt man mal eben schnell zur Bibliothek flitzen, um sich ein Buch mit landwirtschafts-Bambara-Wörtern zu holen oder ähnliches statt zum Beispiel mit den lokalen Taxis Schadstoffklasse „Afrika 1“ ohne Klimaanlage bei 35° im Stau zu stehen. Obwohl ich damit ein halbes Jahr später angefangen hatte, war es ein Kopf-an Kopf- Schneckenrennen mit der Zulassung des Geländewagens der Allianzmission, der sich Anfang des Jahres per Container auf den Weg gemacht hatte. Wie es der Zufall will fuhren am 5. August dann zwei Leute unabhängig zur Führerscheinstelle: Unser Verwalter für das Nummernschild des Missionsautos und ich für die Motorrad-Führerscheinprüfung. Der Prozess des Motorrad-Führerscheins hat mir schon mal einen Vorgeschmack auf malische Bürokratie gegeben, das wird noch spannend in Zukunft mit der Verwaltung.

Die malische Gemeinde, die ich besuche, hat eine Initiative gestartet, den überdachten Außenbereich für das Kinderprogramm regenfest zu machen, das in den letzten Jahren regelmäßig „ins Wasser gefallen“ war. Das lässt mich auch an meine Heimatgemeinde, die FEG Rheinbach, denken, die -immer noch- ein großes Nachbarschaftszeugnis ist durch die praktische Flutopferhilfe in meiner Heimatregion. Herausgreifen möchte ich einmal ein Team aus der Partnergemeinde Oldenburg, dass dem Aufruf meiner betroffenen Heimatgemeinde gefolgt ist. Und das Team der Allianzmission, das im Ort meiner Großeltern angepackt hat. Stark!

Bei der Umfrage im letzen Freundesbrief kam heraus, dass ihr weiterhin lieber Freundesbriefe als Video-Updates wollt- euer Wunsch sei mir Befehl 😊 . Wem ab und zu mal Bilder von mir fehlen kann auf Instagramm „malitunes“ abonnieren. Und wen die Alltagstories ansprechen- warum sich nicht mal selber unverbindlich über das Thema „Mission“ informieren? Am 8.-9. Oktober wird es ein Info-Wochenende bei der Allianzmission geben.

Wer es bis hier geschafft hat, bekommt zur Belohnung noch ein paar Dorfimpressionen…

 

Herzliche Grüße,

Hofleben

Karité/Shea Butter-Herstellung

Unterwegs mit Esai & Co.

man braucht nicht immer Worte..